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Nachbarrecht ermöglicht ein friedliches Miteinander

Das Nachbarrecht umfasst die Gesamtheit aller Vorschriften, die ein friedliches Nebeneinander ermöglichen. Im Streitfall gibt es Möglichkeiten, sich zu wehren und sogar Schadenersatz geltend zu machen

Wohnen
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01.04.22 - 09:21 Uhr
Der Nachbar im oberen Stock macht seine Wohnung zur Werkstatt. Gegen übermässigen Lärm kann man sich jedoch wehren.
Der Nachbar im oberen Stock macht seine Wohnung zur Werkstatt. Gegen übermässigen Lärm kann man sich jedoch wehren.
123rf

von Reto Nick, Geschäftsführer Hauseigentümerverband Graubünden

Ein eigentliches Nachbarrechtsgesetz gibt es nicht. Entsprechende gesetzliche Bestimmungen sind zum Teil zivil- und öffentlich-rechtlicher Natur und verteilen sich auf zahlreiche Erlasse des Bundes, der Kantone und der Gemeinden.

Die nachbarrechtlichen Regelungen des Bundes finden sich in Artikel 679 und 684ff des Zivilgesetzbuchs. Da diese Bestimmungen dem Schutz der Interessen einzelner Grundeigentümer dienen, sind sie in der Regel dispositiver Natur und können durch eine Vereinbarung abgeändert oder aufgehoben werden. Soll eine solche Parteivereinbarung auch für Rechtsnachfolger gelten, ist eine Dienstbarkeit zu errichten, die zu ihrer Gültigkeit der Eintragung in das Grundbuch bedarf. Im Kanton Graubünden findet sich das kantonale Nachbarrecht im Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch – Artikel 96ff. 

Nebst den zivilrechtlichen Bestimmungen gibt es im öffentlichen Recht von Bund, Kantonen und Gemeinden zahlreiche nachbarrechtliche Vorschriften, wie beispielsweise Bau- und Abstandsvorschriften. Diese werden im Interesse der Allgemeinheit erlassen und sind somit grundsätzlich zwingender Natur.

Gegenseitige Rücksichtnahmepflicht

Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums sich aller übermässigen Einwirkungen auf das Eigentum des Nachbarn zu enthalten. Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen. Darunter zu verstehen sind Luftverunreinigungen, üble Gerüche, Lärm, Schall, Erschütterungen, Strahlung oder der Entzug von Besonnung und Tageslicht. (Art. 684 ZGB). Auch ideelle Einwirkungen, wie zum Beispiel der Betrieb eines Erotik-Etablissements, fallen unter diesen Punkt. Bei der Beurteilung, ob eine Einwirkung übermässig ist, kommt dem Gericht ein grosser Ermessensspielraum zu. Ein gewisses Mass an «Fremdeinwirkung» ist bei normaler Grundstücksnutzung unvermeidlich und muss hingenommen werden.

Wie sich wehren?

Der geschädigte Nachbar kann sich mit der sogenannten Beseitigungsklage gegen Überschreitungen des Eigentumsrechts zur Wehr setzen oder mittels Unterlassungsklage Schutz vor künftigen Überschreitungen verlangen (Art. 679 ZGB). Darüber hinaus kann der Geschädigte Schadenersatz für bereits entstandene finanzielle Einbussen geltend machen.

Von Hecken und Zäunen

Zäune oder andere Einfriedungen grenzen das eigene Grundstück ab, und Hecken schützen vor neugierigen Blicken und ungebetenen Gästen. Das Zivilgesetzbuch erlaubt es Eigentümern, ihr Grundstück einzufrieden. Da das Zivilgesetzbuch die Rechtsetzungsbefugnis für Anpflanzungen und Bauten an der Grundstücksgrenze an die Kantone delegiert hat, ist für entsprechende Fragen das kantonale Recht zu konsultieren.

Das Kapprecht

Wird jemand durch vom Nachbargrundstück überragende Äste oder eindringende Wurzeln an seinem Eigentum geschädigt, kann unter Beachtung der in Art. 687 ZGB genannten Voraussetzungen dieselben kappen beziehungsweise bis maximal auf die Grundstückgrenze zurückschneiden. Grundvoraussetzung des Kapprechts ist das Vorliegen einer Schädigung des nachbarrechtlichen Grundstücks. Eine solche kann jede Beeinträchtigung der Bewirtschaftung und Benutzung des Grundstücks sein, so auch starke Beschattung oder Lichtentzug. Die Schädigung für den Nachbarn muss allerdings erheblich sein; ansonsten ist sie zu dulden. Durch diese Anforderung soll sichergestellt werden, dass Bäume nicht sinnlos beschädigt werden. 
Ob eine Schädigung erheblich ist, muss im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der Bewirtschaftungsart sowie der Lage und Beschaffenheit des Grundstücks entschieden werden.

Schadenersatzforderung: Verjährung

Nachbarrechtliche Schadenersatzforderungen verjähren innert eines Jahres seit Kenntnis des Schadens, aber spätestens innert zehn Jahren seit der schädigenden Handlung.

www.hev-gr.ch
 

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