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Ist politische Werbung am Gebäude einer Stockwerkeigentümerschaft erlaubt?

Anlässlich einer politischen Abstimmung hat eine Stockwerkeigentümerin auf dem gemeinschaftlichen Teil der Stockwerkeigentümerschaft ein Plakat mit einer Abstimmungsparole aufgestellt. Darf er das?

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01.12.21 - 16:00 Uhr
Politwerbung auf dem gemeinschaftlichen Teil einer Stockwerkeigentümerschaft: erlaubt, nicht erlaubt, geduldet …?
Politwerbung auf dem gemeinschaftlichen Teil einer Stockwerkeigentümerschaft: erlaubt, nicht erlaubt, geduldet …?
Archiv Somedia

von Thomas J. Meile, Rechtsanwalt/Fachanwalt SAV Haftpflicht- und Versicherungsrecht, Rechtsauskunftsstelle HEV Oberengadin

Das Aushängen von Abstimmungsplakaten ist ein Ausdruck des verfassungsmässigen Rechts auf Meinungsäusserungsfreiheit, welche auch den politischen Bereich umfasst. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Kundgebung im Widerstreit mit anderen Normen des öffentlichen und privaten Rechts stehen kann. 
Im Bereich des öffentlichen Rechts können sich dann Probleme ergeben, wenn der Standort des Plakats an einer Kantonsstrasse liegt und dieser im Wahrnehmungsbereich von Fahrzeuglenkern liegt. Es kann demnach sein, dass in diesem Fall das kantonale Tiefbauamt einschreiten wird.

Antworten im Gesetz und Reglement

Im Vordergrund stehen jedoch mögliche Konflikte mit den privaten Rechten von Eigentümern, die im Rahmen einer Stockwerkeigentümergemeinschaft (Stweg) zum Tragen kommen. 
Zu beachten ist dabei, dass die Einfahrt zur Garage zwingend ein gemeinschaftlicher Teil der Eigentümerschaft ist. Konkrete Vorschriften für das Zusammenleben in der Stweg und insbesondere der Nutzung von gemeinschaftlichen Teilen finden sich zum Teil im Gesetz, vor allem jedoch im Reglement und der Hausordnung, Unterlagen, welche bei den allermeisten Gemeinschaften vorhanden sind. Gibt es im Einzelfall keine Bestimmungen, die auf den konkreten Sachverhalt anwendbar sind, gilt der allgemeine Grundsatz, wonach jeder Eigentümer befugt ist, die gemeinschaftlichen Teile und Einrichtungen sowie Anlagen des Gebäudes und der Liegenschaft zu benutzen, soweit dies mit dem gleichen Recht jedes anderen Stockwerkeigentümers und mit den Interessen der Gemeinschaft vereinbar ist. 

Grundsätzlich unzulässiger Eingriff …

Im vorliegenden Fall ist das Konfliktpotenzial offensichtlich, wenn ein anderer Stockwerkeigentümer dasselbe tut, mit dem Plakat jedoch für die gegenteilige Position wirbt. 
Gemäss Praxis des Bundesgerichts ist der eigenmächtige Eingriff eines Eigentümers in gemeinschaftliche Teile der Stweg unstatthaft. Nach Ansicht des Verfassers gilt dieser Grundsatz auch, wenn dieser Eingriff nur während der be-schränkten Zeit bis zur Volksabstimmung über die kontroverse Vorlage erfolgt.
Angesichts der erheblichen Gefährdung des Friedens innerhalb der Stweg durch Plakate mit politischem Inhalt auf dem Grundstück – mit entsprechender Beeinträchtigung des äusseren Erscheinungsbilds – sind solche Aktionen einzelner Eigentümer deshalb grundsätzlich unzulässig. 

… aber es gibt Ausnahmen

Beim Fehlen von konkreten Bestimmungen im Reglement oder in der Hausordnung, erscheint es zu diesem Zweck unumgänglich, der Versammlung der Stweg eine Bewilligung zu beantragen, damit diese einen Grundsatzentscheid fällen und bei Bedarf Einzelheiten festlegen kann. Hat sich die Gemeinschaft bisher entweder gar nicht oder aber positiv zu einem solchen Gesuch geäussert, so ist es regelmässig der Verwalter, der über gestellte Gesuche zu entscheiden hat, allenfalls gemeinsam mit dem Ausschuss. Soweit der Entscheid in seinem Ermessen liegt, wird er darauf achten müssen, dass er die Eigentümer gleich behandelt. 
Im Einzelfall ist es denkbar, dass dem Verwalter die Kompetenz erteilt wird, über die Zulässigkeit von Art und maximalen Abmessungen solcher Abstimmungsplakate zu entscheiden, um damit der politischen Meinungsäusserungsfreiheit angemessen Rechnung zu tragen.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der einzelne Eigentümer Plakate mit Abstimmungsparolen auf dem Gelände einer StWEG nicht eigenmächtig aufstellen darf. Dies ist nur zulässig, wenn er es mit der Bewilligung des zuständigen Organs tut.

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