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Wie die OECD-Mindeststeuer funktioniert

Grosse internationale Unternehmen sollen auch in der Schweiz stärker besteuert werden. Weil die Kantone sehr unterschiedlich vom zusätzlichen Geld profitieren, ist die Vorlage umstritten.

Daniel
Fischli
06.06.23 - 04:30 Uhr
Politik
OECD-Mindeststeuer: Zug als Sitz internationaler Unternehmen profitiere zu stark von der Vorlage, während andere Kantone fast leer ausgingen, kritisiert die SP.
OECD-Mindeststeuer: Zug als Sitz internationaler Unternehmen profitiere zu stark von der Vorlage, während andere Kantone fast leer ausgingen, kritisiert die SP.
Bild Urs Flüeler/Keystone

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) gehen den internationalen Steuerwettbewerb an, und die Schweiz zieht mit. Dafür ist eine Verfassungsänderung notwendig, über die am 18. Juni abgestimmt wird. Auf den ersten Blick paradox ist dabei, dass sich die bürgerlichen Parteien für die Vorlage und damit für höhere Steuern aussprechen, aber die SP und die Allianz der Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, Alliance Sud, die Nein-Parole vertreten. Die Grünen haben Stimmfreigabe beschlossen.

Neu sollen Unternehmen, die in mehreren Ländern tätig sind und einen Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro aufweisen, ihre Gewinne zu mindestens 15 Prozent versteuern. In den Staaten der EU sowie in Grossbritannien, Kanada und Japan soll die neue Mindeststeuer bereits ab dem nächsten Jahr gelten. Auch Bundesrat und Parlament wollen sie per 2024 einführen.

Der Grund für die Eile von Bundesrat und Parlament liegt darin, dass man um den Abfluss von Steuergeldern aus der Schweiz fürchtet. Denn: Führt die Schweiz die Mindestbesteuerung nicht ein, können andere Staaten die Differenz zwischen der tieferen Steuerbelastung in der Schweiz und der Mindeststeuer von 15 Prozent einziehen.

Drei Viertel gehen an die Kantone

In der Schweiz bezahlen die Unternehmen ihre Gewinnsteuern nach kantonal unterschiedlichen Sätzen. Die Vorlage gibt dem Bund das Recht, die Differenz zwischen einem tieferen kantonalen Satz und den 15 Prozent als «Ergänzungssteuer» einzuziehen. Davon bleibt dann ein Viertel beim Bund und drei Viertel gehen an diejenigen Kantone, in welchen die zusätzlich besteuerten Unternehmen ihren Sitz haben. Das sind in erster Linie die Kantone Zug und Basel-Stadt. Damit könnten die Einnahmen gezielt dort eingesetzt werden, wo die zusätzliche Steuerbelastung zu einer Einbusse an Standortattraktivität führe, argumentiert der Bund. Die Kantone könnten also ihre Attraktivitätseinbusse mit andern Mitteln wieder kompensieren.

Was genau die Kantone mit dem Geldsegen machen, ist ihnen überlassen. Der Bund schreibt nur vor, dass die Gemeinden «angemessen» beteiligt werden. Der Bund seinerseits will seinen Viertel ebenfalls hauptsächlich zur Förderung der Standortattraktivität einsetzen.

Auch die Kantone ohne oder nur mit wenigen zusätzlich besteuerten Unternehmen wie Glarus würden von der Vorlage profitieren, so der Bund. Denn die zusätzlichen Steuereinnahmen von etwa Zug oder Basel-Stadt würden im nationalen Finanzausgleich berücksichtigt und damit teilweise an die andern Kantone fliessen. Ausserdem gehe vom Anteil des Bundes ebenfalls ein Drittel in den Finanzausgleich.

Nein für eine bessere Vorlage

SP und Alliance Sud sind nicht grundsätzlich gegen international einheitliche Steuersätze. Sie kritisieren aber die Umsetzung, wie sie das Parlament beschlossen hat. Ein Nein führe zu einer neuen Vorlage und damit zu einer bessern Umsetzung, so die SP.

Die SP hatte sich im Parlament dafür eingesetzt, dass der Bund mehr als einen Viertel der Einnahmen erhält und dass die Einnahmen unter den Kantonen gleichmässiger verteilt werden. Ausserdem kritisiert sie die Verwendung der Einnahmen in erster Linie für die Standortförderung.

Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert.

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