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Ein Schutzbau für das archäologische Juwel von Tomils scheint möglich

Die Überreste der um das Jahr 700 entstandenen Kirchenanlage Sogn Murezi in Tomils sind von nationaler Bedeutung. Geschützt werden sie seit Jahren von einem Provisorium. Das soll sich nun ändern.

Jano Felice
Pajarola
19.08.23 - 13:00 Uhr
Leben & Freizeit
Treppenartig abgestuft: So würde der von Architekt Marcel Liesch konzipierte Schutzbau für Sogn Murezi gemäss einer Visualisierung aussehen.
Treppenartig abgestuft: So würde der von Architekt Marcel Liesch konzipierte Schutzbau für Sogn Murezi gemäss einer Visualisierung aussehen.
Pressebild

Von 1994 bis 2011 haben archäologische Ausgrabungen in Tomils die bis dahin unbekannte Kirchenanlage Sogn Murezi zutage gefördert. Schon während der Untersuchungen vor Ort wurde die Stätte zu ihrem Schutz provisorisch überdacht. Die Konstruktion aus Wellblech und Holz steht bis heute über der in ihrem erhaltenen Bestand schweizweit einzigartigen Kirchenruine aus der Zeit um 700 nach Christus. Allerdings: Die Flur Sogn Murezi, zu Beginn der Ausgrabungen noch am Rand des Dorfs gelegen, befindet sich heute mitten in einem Wohnquartier. Dass das Bauprovisorium «keine Augenweide» ist, weiss auch der Bündner Kantonsarchäologe Thomas Reitmaier. «Ausserdem fragen sich vermutlich viele, was sich darunter verbirgt.» Deshalb hat der Archäologische Dienst Graubünden (ADG) am Samstag gemeinsam mit der Gemeinde Domleschg und der katholischen Kirchgemeinde einen Tag der offenen Ausgrabung durchgeführt. Auch, um die Zukunft von Sogn Murezi zu thematisieren.

Schutzbaute soll das Herzstück der Kirchenanlage überspannen

Was aus dem archäologischen «Juwel» werden soll, ist nämlich schon seit Jahren ein Thema. Aufgrund des nationalen Schutzstatus, den die Kirchenruine geniesst, gibt es nur zwei Optionen: alles wieder mit Erdmaterial überdecken – oder einen Schutzbau errichten. «Wir haben mit der Gemeinde und der Kirchgemeinde in den letzten zwei Jahren vertieft angeschaut, wie mit der Ausgrabung umgegangen werden soll», erklärt Reitmaier. Die Erkenntnisse aus einem Expertentreff mit Archäologinnen und Archäologen, die bereits Erfahrungen mit Schutzbauten gemacht hätten, habe schliesslich als Basis für den nächsten Schritt gedient: Gemeinsam mit der Gemeinde und der Denkmalpflege hat der ADG bei Architekt Marcel Liesch ein Vorprojekt für eine solche Baute in Auftrag gegeben.

Dieses Vorprojekt liegt mittlerweile vor. Der treppenartig gestaffelte Schutzbau würde das Herzstück der Kirchenanlage überspannen, um dieses zu bewahren und weiterhin zugänglich zu machen. Es sei kein betreutes Museum vorgesehen, so Reitmaier, «so ein Schutzbau muss ohne Betreuung funktionieren», aber die Geschichte von Sogn Murezi solle mit geeigneten Mitteln erzählt werden. «Die Ausgrabung ist sehr gut aufgearbeitet und kann damit auch gut vermittelt werden. Und natürlich hat Sogn Murezi aus wissenschaftlicher Sicht eine einzigartige Qualität.» 

Die Kosten für den laut Reitmaier «schlichten, funktionalen Holzbau» werden auf etwa 1,5 Millionen Franken geschätzt. «Für die Finanzierung wären Beiträge von einem Viertel bis einem Drittel von Bund und Kanton denkbar.» Der Rest müsse durch eine noch zu gründende Trägerschaft, zum Beispiel eine Stiftung, mit Drittmitteln finanziert werden. «Es ist nicht wenig, aber die Summe ist auch nicht unerreichbar», konstatiert der Kantonsarchäologe. «Von daher halte ich das Projekt für durchaus realisierbar.»

Klosterähnlichen Anlage mit Herdstellen, Vorratskammern und Backraum

Was man heute über Sogn Murezi weiss, findet sich in einem 2020 publizierten vierbändigen Sonderheft aus der Reihe «Archäologie Graubünden». Gemäss den dort veröffentlichten Erkenntnissen kann man davon ausgehen, dass die Flur seit römischer Zeit durchgehend besiedelt war, das belegt unter anderem die vermutlich kultisch motivierte Niederlegung eines Zwergrinds aus dem 1. Jahrhundert. Stein- und Holzbauten gab es sicher ab dem 5. Jahrhundert, um 650 entstand die erste Kirche. Um 700 wurde Sogn Murezi zu einer klosterähnlichen Anlage erweitert, einige Jahrzehnte später kamen Anbauten mit Herdstellen, Vorratskammern und einem Backraum dazu – die Blütezeit von Sogn Murezi. Man geht heute davon aus, dass es sich um ein Xenodochium handelte, eine Herberge für Pilger und Reisende, gegründet möglicherweise vom Churer Bischof Paschalis. Ein gefundenes Verputzstück mit dem Inschriftenfragment «DŌM•P», gefolgt von einer Bruchkante, die ein «A» vermuten lässt, könnte auf den Titel «Dominus Paschalis» hinweisen.

Jano Felice Pajarola berichtet seit 1998 für die «Südostschweiz» aus den Regionen Surselva und Mittelbünden. Er hat Journalismus an der Schule für Angewandte Linguistik in Chur und Zürich studiert und lebt mit seiner Familie in Cazis, wo er auch aufgewachsen ist.

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