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So sollen künftig die Glarner Bäche wieder natürlicher werden

Das Gewässerschutzgesetz verpflichtet die Kantone zur Revitalisierung von Gewässern. Bis 2090 sollen im Glarnerland bis zu 45 Kilometer Gewässer so angepasst werden. Die Umsetzung beginnt jetzt.

Südostschweiz
28.07.23 - 16:15 Uhr
Klima & Natur

von Monica Marti*

Gewässer stehen hoch im Kurs: An heissen Tagen wimmelt es an ihren Ufern von Erfrischung suchenden Menschen. Wohltuende Abkühlung ist aber nur ihr augenfälligster Nutzen. Nicht umsonst gelten speziell Fliessgewässer als Lebensadern in der Landschaft. Sofern sie naturnah sind. Dafür soll bald gesorgt werden: Bis 2035 müssen im Kanton Glarus Flüsse und Bäche auf einer Länge von insgesamt zehn Kilometern renaturiert werden. Bis 2090 sollen es 40 bis 45 Kilometer sein. Das fordert das 2011 revidierte Gewässerschutzgesetz der Schweiz.

Auch im Glarnerland sind nämlich viele Gewässer durch Wasserkraftwerke, Uferverbauungen und andere menschliche Eingriffe so stark gestört, dass sie ihre natürlichen Funktionen nur noch ungenügend wahrnehmen können. Zum Beispiel die Speisung des Grundwassers. «Ein unverbauter Fluss mit genügend breitem Gerinne und Auen hält wie ein Schwamm Wasser zurück», erklärt Senta Stix von der Abteilung Umweltschutz und Energie des Kantons Glarus.

Das Wasser versickere vor Ort, werde dabei gereinigt und reichere das Grundwasser an. «Die anhaltende Trockenheit im Frühling hat erneut gezeigt, dass wir schon nur aus egoistischen Gründen unser Wasser im Kanton behalten sollten, statt es über kanalisierte Gerinne abzuführen», gibt Stix zu bedenken. Sie ist für Gewässerrenaturierungen zuständig und kennt die Situation.

Auch die Längs- und Quervernetzung der Linth und vieler ihrer Zuflüsse seien gestört. Das schränke die Wanderungen von Fischen und anderen Wassertieren ein oder verunmögliche sie gar.

Eine durch den Kanton in Auftrag gegebene und auf seiner Website veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2014 kommt zum gleichen Schluss: von insgesamt 261 Kilometern untersuchten Fliessgewässer-Abschnitten sind 159 Kilometer in einem morphologisch schlechten Zustand. Das sind über 60 Prozent, Linth und Sernf noch nicht eingerechnet. In den kommenden Jahren muss nun laut Gesetz wenigstens bei einem Teil dieser Gewässer der Zustand verbessert werden. Denn gesunde Bäche, Flüsse und Seen sind für Menschen, Tiere und Pflanzen unentbehrlich.

Die strategische Planung steht

Unter Gewässerrevitalisierung versteht man die Wiederherstellung eines naturnahen Gewässerzustandes mithilfe von baulichen Massnahmen. So können Bagger einem begradigten Flussabschnitt wieder zu einem natürlicheren Verlauf verhelfen. Oder Uferverbauungen werden punktuell entfernt, damit ein Bach auf einem definierten Abschnitt sein Ufer wieder selber gestalten kann.

Ihr Ziel ist es, negative Ursachen zu beheben statt teuer deren Symptome zu bekämpfen. Die Eingriffe erfolgen in kontrolliertem Masse, damit weder Siedlungen noch andere Infrastrukturanlagen zu Schaden kommen. Auch der Hochwasserschutz bleibe gewährleistet, heisst es vom Kanton. «Oft wird er durch eine Revitalisierung sogar verbessert», so Stix.

Das bekannteste und grösste Beispiel einer Revitalisierung im Kanton Glarus ist die Aufweitung der Linth im Gebiet Chli Gäsitschachen bei Mollis. Gerade zu diesem Projekt gibt es aber eine Kontroverse, die dazu führte, dass die Gemeindeversammlung von Glarus Nord sich gegen eine ähnliche Aufweitung des Escherkanals am Kundertriet stellte.

Aber auch vergleichsweise kleine Projekte wie die Wiederherstellung eines naturnahen Bachgerinnes im Brunnenrain bei Nidfurn gehören dazu. Wo im Glarnerland in den nächsten Jahren Gewässerrevitalisierungen mit welcher Priorität stattfinden sollen, hat das Departement Bau und Umwelt in seiner strategischen Planung festgelegt.

Die betroffenen Gewässerabschnitte sind auf dem kantonalen GeoPortal unter dem Stichwort «Gewässerrevitalisierung - strategische Planung (Linien)» ersichtlich. Aufgelistet sind über 100 Gewässerabschnitte an der Linth und ihren Zuflüssen. «Auswahl und Priorisierung richtete sich nach Kriterien wie Machbarkeit, ökologischem Nutzen und Aufwand», erklärt Stix. Im Glarnerland seien in erster Linie Massnahmen an Fliessgewässern geplant. Bei diesen sei im Kanton Glarus das Kosten-Nutzen-Verhältnis oft besser als bei den Seeufern. Die Umsetzung konkreter Projekte obliegt nun dem Kanton und den Gemeinden.

An ihrer Finanzierung beteiligt sich aber auch der Bund. Je nach ökologischem Nutzen übernimmt er zwischen 35 und 80 Prozent der entstehenden Kosten. Für die Kosten, die vom Kanton zu tragen sind, hat die Landsgemeinde 2010 der Bildung eines Gewässerrenaturierungsfonds zugestimmt, der mit vier Millionen Franken dotiert wurde. Weitere Restkosten der Projekte übernehmen die Standortgemeinden sowie Dritte wie Umweltorganisationen.

Nun folgen konkrete Projekte

Die finanziellen Mittel für die Revitalisierungen sind also vorhanden und sollen in den kommenden Jahren möglichst effizient und effektiv eingesetzt werden. Der Startschuss für die Gewässerrevitalisierungen sei gefallen, sagt Stix, die Zeit dränge aber, da es die Frist einzuhalten gelte: «Die Umsetzung von konkreten Projekten ist aufwendig, da viele Interessengruppen involviert sind.» Zudem sei kein Projekt wie das andere. Jedes Vorhaben erfordere umfangreiche Abklärungen.

Noch wurden im Kanton Glarus wenige Gewässer renaturiert. Laut Stix sind nun aber verschiedene Revitalisierungs-Projekte angedacht. Als Beispiele nennt sie den Dorfbach in Ennenda oder das Mettlenseeli bei Netstal. Weitere Gewässer folgen, damit bis Ende 2035 die zehn Kilometer erreicht werden.

*Monica Marti ist Biologin und Co-Leiterin des Naturzentrums Glarnerland.

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