Ausgerechnet im Winter: Darum schalten die Wärmepumpen in der Gemeinde Glarus am Mittag ab
Wärmepumpen stellen in der Gemeinde Glarus über den Mittag den Betrieb ein. Den Schalter legen die Technischen Betriebe aus der Ferne um. Martin Zopfi, Geschäftsleiter der TB Glarus, erklärt, wieso.
Wärmepumpen stellen in der Gemeinde Glarus über den Mittag den Betrieb ein. Den Schalter legen die Technischen Betriebe aus der Ferne um. Martin Zopfi, Geschäftsleiter der TB Glarus, erklärt, wieso.

Habt ihr gewusst, dass wenn ihr in der Gemeinde Glarus wohnt, sich eure Boiler und Wärmepumpen jeden Mittag von 11.15 Uhr ausschalten und gestaffelt zwischen 12.25 und 12.55 Uhr wieder einschalten? Dies geschieht in der Nacht erneut. Die Boiler und Wärmepumpen werden dann um 22.50 Uhr ausgeschaltet und zwischen Mitternacht und 0.30 Uhr automatisch wieder eingeschaltet. Wir haben beim Geschäftsleiter der Technischen Betriebe Glarus, Martin Zopfi, nachgefragt, wie und wieso sie das machen.
Wieso muss meine Wärmepumpe ausgeschaltet werden?
Wenn alle gleichzeitig um die Mittagszeit kochen, waschen und dann auch noch Wärmepumpen und Boiler laufen, könnte das Stromnetz dadurch überlastet werden. Das kann sich folgendermassen zeigen: «Durch die sinkende Stromspannung können Lampen flackern oder Elektrogeräte schwächer arbeiten. Empfindliche Geräte wie Computer können abstürzen oder nicht richtig funktionieren», erklärt Zopfi. Sicherungen oder automatische Abschaltungen würden überlastete Stromkreise trennen, um das Netz zu schützen. «In Europa läuft der Strom normalerweise mit einer Frequenz von 50 Hertz. Bei Überlastung sinkt diese Frequenz, wodurch Notfallmassnahmen wie das Abschalten von Fabriken ausgelöst werden können», so Zopfi. Ausserdem könne es bei extremer Überlastung zu Stromausfällen kommen. «Je nach Schwere der Störung kann es Minuten bis Stunden dauern, bis der Strom wieder da ist.»
Die Technischen Betriebe Glarus sind nicht die Einzigen, die das machen: Der Verband der schweizerischen Elektrounternehmen empfiehlt, Stromfresser zu Spitzenzeiten wie mittags abzuschalten.

Wieso merke ich nichts davon, wenn meine Wärmepumpe sich ausschaltet?
Am Mittag beginne man nicht gleich zu frieren, weil die Wärmepumpe oder der Boiler nicht laufe, sagt Zopfi. «Ein Boiler und eine Wärmepumpe haben einen Speicher, so bleibt die Wärme während der ausgeschalteten Zeit trotzdem erhalten und wird beim nächsten Einschalten direkt wieder produziert.»
Wie schaffen es die Technischen Betriebe meine Wärmepumpe aus der Ferne auszuschalten?
Mit dem flächendeckenden Smart Meter Rollout in der Gemeinde Glarus haben die Technischen Betriebe Glarus auch die in die Jahre gekommene Rundsteuerung abgelöst. Rundsteuerung bedeutet, dass der Energieversorger Signale über das Stromnetz sendet, um Geräte wie Heizungen oder Strassenlaternen gezielt ein- oder auszuschalten. Mit dem neuen Smart Meter Rollout tauschte man alte analoge Stromzähler gegen digitale Stromzähler aus, die den Stromverbrauch messen und automatisch an den Stromanbieter senden können.
Die Smart Meter können zentral angesteuert werden, wie Zopfi erklärt. «Mit dem Versenden des Signals über das System werden die Boiler und Wärmepumpen anschliessend zu den gleichen Zeiten täglich blockiert.» Betroffen seien ausschliesslich Stromfresser wie Wärmepumpen, Boiler und zum Beispiel private Saunas.
Diese Vorsichtsmassnahme, um Engpässe zu verhindern, ist aber nicht neu: «Einige können sich bestimmt noch erinnern, als man einen Schalter zu Hause hatte für Kochherd und Waschmaschine», sagt Zopfi.

Wie können die Technischen Betriebe im Stromnetz zwischen Boiler, Wärmepumpen und zum Beispiel Wasserkocher unterscheiden, sodass es gelingt, den Strom ausschliesslich für die Wärmepumpen und Boiler zu blockieren?
«Die Wärmepumpen, Boiler und Wasserkocher sind physisch unterschiedlichen Schaltkontakten zugeordnet und diesen nachgeschaltet. So kann jeder einzelne Verbraucher separat geschaltet werden», sagt Zopfi.
Was kann ich tun, wenn ich den automatischen Unterbruch nicht will?
Die Technischen Betriebe Glarus bieten in der Grundversorgung zwei Tarife an. «Der meist verwendete Tarif ist der günstigere, dafür dürfen die Technischen Betriebe bei diesem die Wärmepumpen und Boiler eben automatisiert ausschalten», sagt Zopfi. Falls man das nicht wolle, könne man den zweiten, teureren Tarif auswählen. «Wir haben derzeit aber nur sehr wenige Kunden, welche diesen Tarif ausgewählt haben.» Es sei im Sinne der Technischen Betriebe Glarus, eine möglichst günstige und effiziente Lösung für die Kundinnen und Kunden anzubieten.
Werden die Wärmepumpen zum Stromfresser-Problem?
Immer mehr Glarner und Glarnerinnen lassen eine Wärmepumpe einbauen – spätestens seit die Landsgemeinde im 2021 den Einbau von Öl- und Gasheizungen verboten hat. Kann das Stromnetz der Belastung standhalten? «Stromnetze werden genutzt, um Strom zu produzieren und zu verbrauchen. Wenn es also mehr Wärmepumpen gibt, die Strom verbrauchen, wird es auch mehr Produktionskapazität wie Solaranlagen benötigen, die Strom produzieren», sagt Martin Zopfi. Er sehe aber keine Gefahr, dass es ein Stromproblem geben wird. «Am Ende des Prozesses wird es sich wieder ausgleichen.» Energie müsse «zwischengelagert» werden können, um zu Zeitpunkten von hohem Energiebedarf abgerufen werden zu können. Die Technischen Betriebe Glarus setzen dabei auf ihr neues Kraftwerk Luchsingen, mit dem sie einen Teil der Energie genau dann produzieren können, wenn sie auch gebraucht wird.
Die bisherige Vorsichtsmassnahme mit dem Abschalten der Stromfresser zu Spitzenzeiten wird ganzjährig angewendet, sagt Martin Zopfi. Das gesamte Strom-System würde sich aber weiterentwickeln, so Zopfi. Der Grund: Fotovoltaikanlagen seien immer beliebter. Diese produzieren ihre Energie während des Tages, wenn die Sonne scheint. Insbesondere um die Mittagszeit, wenn auch viele stromintensive Verbraucher eingeschaltet sind. Dies reduziere die Gefahr eines Kapazitätsengpasses, meint Zopfi. «Weiter entstehen durch Batteriespeicher auch im privaten Bereich mehr Möglichkeiten, Energie zwischenzulagern, was die Situation betreffend Verfügbarkeit ebenfalls verbessert», sagt Zopfi. Mit diesen Weiterentwicklungen sei es absehbar, dass das übergeordnete Ausschalten von Verbrauchern künftig überflüssig werde.

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Wäre noch gäbig, wenn das KW…
Wäre noch gäbig, wenn das KW Luchsingen ein Unterwasserbecken und eine Pumpe hätte. Dann könnte man bald einmal mit Überschussstrom aus Fotovoltaik und Wind pumpen.