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Ohrgeräusche

Christian
Ruch
29.04.17 - 10:00 Uhr
PIXABAY

In «Ruchs Rubrik» beleuchtet Christian Ruch Bedenkliches, Merkwürdiges und Lustiges aus der Region Südostschweiz. Das alles einmal wöchentlich und mit viel Esprit und Humor. Ob Politik, Kultur, Wirtschaft oder Sport – in Ruchs Rubrik hat all das Platz, was sich mit einem Augenzwinkern betrachten lässt.

Da ich mich nun schon im 50. Lebensjahr befinde, teilt mir mein Körper neuerdings mit, dass ich ja nicht meinen solle, noch ein kerngesunder Jungspund zu sein. Er tut dies mit einem kontinuierlichen zweistimmigen Geräusch im linken Ohr, von Experten Tinnitus genannt. Das eine ist so ein hohes Fiepen, das interessanterweise genauso tönt wie unser WLAN-Router. Ich finde das ziemlich passend, eilt mir doch der Ruf gesteigerter Internet-Affinität voraus, sodass mich wildfremde Menschen gern mit den Worten «Ach, dann bist du also dieser Social-Media-Süchtige?» begrüssen. Insofern gehe ich davon aus, dass das Pfeifen der Beginn meiner Mutation zum lebenden WLAN-Router ist und ich mich schon bald mit Gedankenkraft ins Internet einloggen kann. Toll! Vom zweiten Geräusch bin ich erst recht begeistert, denn es tönt wie Grillengezirpe und vermittelt auch bei unerfreulichen Wintereinbrüchen wie jetzt ein endless summer feeling. Wenn Sie mich also bei zehn Grad in Shorts und Flipflops antreffen, liegt das nur am Tinnitus.

Natürlich könnte ich nun zu einem sogenannten Spezialisten. Doch mein Vertrauen in sie ist etwas erschüttert, seit sich ein Bekannter wegen eines munter vor sich hin wuchernden Knubbels in der Nase besorgt in eine HNO-Praxis begab und ihm dort geraten wurde, es doch mal mit einer Psychotherapie zu versuchen. Angesichts dieser Erfahrung gehe ich davon aus, dass mein Tinnitus und ich vom HNO-Arzt zur Darmspiegelung geschickt würden. Gut, auch der Darm gibt mitunter Töne von sich, aber das 1.) meistens nicht ständig und 2.) eher so im Bassbereich. Mein Ohrpfeifen dagegen ist ein hoher Sopran, den auch die fröhlichste Flatulenz nicht erklimmt. Im Übrigen sollen sich ja 70 Prozent aller Tinnitussis wieder von alleine verabschieden. Und wenn nicht, muss man es eben so sehen: Chronischer Tinnitus ist wie eine altgediente Ehe – da hat der Gemahl ja auch stets die immer gleichen Töne der Gattin im Ohr, die einfach nicht verschwinden wollen. Aber man gewöhnt sich an sie.

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