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Willst du mit mir gehen?

Die ersten Dating-Versuche lancierte unser Singlebock mit Willst-du-mit-mir-gehen-Zettelchen. Sie waren nie erfolgreich. Ein Plädoyer für mehr erste Schritte jenseits der klassischen Rollenbilder.

Single
Bock
27.10.21 - 16:30 Uhr
Mit solchen Zetteln hat’s schon früher nicht geklappt.
Mit solchen Zetteln hat’s schon früher nicht geklappt.
Singlebock

Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

«Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne», wusste schon Herman Hesse. Demgegenüber steht das Bonmot «Der erste Schritt ist immer der schwerste». Wollen wir uns also verzaubern lassen, müsste jemand den ersten Schritt machen. Nun ist das in Liebesdingen eine elende Hürde, die offenbar auch im Alter nicht kleiner wird. Auf meinen letzten Beitrag «21 Fragen an Männer» hat sich ein Leser via Kommentarfunktion gemeldet:

«21 Fragen an Männer! – Ich kann zu diesem wichtigen Thema einfach nicht schweigen. Nach 42 Jahren Ehe bin auch ich wieder Single. Nun habe ich den Mut gefasst und alles versucht, wieder eine Frau kennenzulernen. Nach einigen Fehlversuchen habe ich nun eine Frau kennengelernt. Mit 70 hat man aber andere Bedürfnisse als mit 20, und darüber muss man sich im Klaren sein. Also ist das Erste, was unbedingt geschehen muss, miteinander reden, reden und nochmals reden. Das Wichtigste ist dabei, dass man gegenseitig ehrlich ist, sonst kommt bald das Sprichwort zum Tragen – Lügen haben kurze Beine. Nur noch eine Bemerkung, liebe Frauen: Sprecht uns Männer an, denn wir sind auch mit 70 euch gegenüber noch scheu, oder man hat Angst, etwas falsch zu machen und lässt es sein, den ersten Schritt zu machen. Es grüsst euch ein Glücklicher über 70er!»

Ich habe mich sehr über den Kommentar und das junge Liebesglück des Kommentarschreibers gefreut. In vielen Dingen spricht er mir aus dem Herzen.

Ich bin von meinen 20ern einige Jahre entfernt und habe ein paar mehr vor mir, bis ich die 70 erreiche. Die Herausforderung mit dem ersten Schritt kenne ich dennoch nur zu gut. Bei aller gendergerechten Sprache und dem wichtigen und richtigen Ruf nach Gleichberechtigung der Geschlechter verharren wir, wenn es ums Daten geht, scheinbar in den klassischen Rollenbildern. Die Frau hat zu gefallen und der Mann hat zu umwerben.

Ich habe mich, wenn es um das Werben nach Aufmerksamkeit der Damenwelt geht, vor allem in meinen jüngeren Jahren lange sehr brotlos bemüht. Die ersten Dating-Versuche lancierte ich mit Willst-du-mit-mir-gehen-Zettelchen. Apropos: Wer hat sich jetzt auch grad einen neuen Ohrwurm eingefangen?

Weiter im Text. Die Zettelchen waren nie erfolgreich. Eher im Gegenteil. Ein Mädchen, für das ich in der Primarschule schwärmte, nahm meinen Annäherungsversuch zum Anlass, mich mit einem Häkchen bei «Ja» in die Irre zu führen und sich danach mit anderen aus der Klasse über mich lustig zu machen. Keine schöne Erinnerung. Die mieseste eigentlich, neben den ganzen Rückmeldungen, die mir lediglich zu verstehen gaben, dass von der Umschwärmten kein Interesse an mir besteht. Ich muss auch gestehen, dass ich mich mit der Zeit immer wieder verliebt habe und entsprechend auch viele der genannten Zettel verteilte. Das machte die einzelne Anfrage nicht sonderlich exklusiv und wohl auch unglaubwürdig. Meinem Herzen war das damals egal. Es dauerte nicht lange, bis es zur nächsten Arschbombe ins unglückliche Verliebtsein ansetzte. Entsprechend oft brach es auch.

In der Mittelschule habe ich eine selbstbewusstere Attitüde an den Tag gelegt und hatte auch mehr Erfolg bei den Frauen – ausser bei denen, die ich unbedingt wollte. Das zog sich dann weiter bis in die Studienzeit. Während vier Jahren habe ich mich zweimal über beide Ohren verliebt. Beide Male unglücklich.

Ich war nie der Aufreisser-Typ – zumindest habe ich mich selbst nie so wahrgenommen. Zu fragil war das Gebilde, das sich hinter meiner Fassade aus selbstsicherem Auftreten und Humor befand – oder viel mehr befindet. Das ist, wie diejenigen, die meine Texte hier schon etwas länger lesen, wissen, auch heute noch ein grosses Problem für mich. Ich sehe heute einfach zu, dass ich mein Herz im Zaum halte. Viele Brüche mag ich ihm nicht mehr zutrauen. Ich verliebe mich nicht mehr so heftig, wie ich das früher tat. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich mich schon seit einigen Jahren nicht mehr so richtig verliebt. Ich war sogar in einer Beziehung und wollte es nicht zulassen, dass sich mein Herz voller Hingabe ins Abenteuer Verliebtheit stürzt. Wie ihr wohl ahnt, war das für die Beziehung nicht sonderlich förderlich.

Der langen Rede kurzer Sinn: Man kann es als Schüchternheit bezeichnen, oder Zurückhaltung auch als Selbstschutz betrachten. Eines haben beide Interpretationen gemein: Sie hindern mich daran, den ersten Schritt zu tun und einer Frau zu sagen, dass sie mir gefällt. Wenn ich es dann doch tue, dann oft, wenn ich alkoholbedingt etwas mehr Mut habe. Den falschen Mut. Denn mit solchen Interessensbekundungen bin ich auch nicht erfolgreicher als mit den Zettelchen in der Primarschule.

Ich schliesse mich also dem Kommentar auf meinen letzten Beitrag an: Wir Männer – zumindest Kollege Kommentarschreiber und ich – sind mitunter sehr froh darum, wenn ihr uns ansprecht. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Ihr könnt gerne auch Ankreuzzettelchen an den Singlebock in die Redaktion schicken. Oder ihr macht eine E-Mail an singleblog@somedia.ch

Passt auf euch auf.

Euer Singlebock

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