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Der schwarze Mantel

Manchmal legen sich Depressionen wie ein schwerer, schwarzer Mantel über mein Gemüt. Corona und all seine Begleiterscheinungen haben es mir schwerer gemacht, diesen Mantel in die Ecke zu schleudern, wenn er mich wieder zu umhüllen droht.

Single
Bock
18.08.21 - 16:30 Uhr
Bild: Pexels
Bild: Pexels

Bau ein Haus, pflanz einen Baum, mach ein Kind – dass dieser Lebensentwurf nicht zwangsläufig auf jeden Menschen zugeschnitten ist, beweisen die anonymen Liebesbriefe ans wunderschöne, elende Single-Leben. Ein Hoch auf Selbstgespräche, Dosen-Ravioli und Liebeleien.

Wie geht es Euch so? Ich merke, dass mir die vergangenen Monate je länger je mehr zu schaffen machen. Wie Ihr, sofern ihr diesen Blog regelmässig lest, bereits wisst, schlage ich mich seit einigen Jahren mit Depressionen herum. Ich gehe nicht davon aus, dass die irgendwann einfach verschwinden. Sie sind ein Teil meines Lebens geworden. Manchmal kann ich sie gut ausblenden an anderen Tagen, so wie an diesem verregneten August-Tag, legen sie sich wie ein schwerer, schwarzer Mantel über mein Gemüt. Corona und all seine Begleiterscheinungen haben es mir schwerer gemacht, diesen Mantel in die Ecke zu schleudern, wenn er mich wieder zu umhüllen droht.

Im Moment würde ich bei einem Date wohl nur einen beschränkt begeisternden Eindruck hinterlassen. Macht nichts – es zeichnen sich im Moment auch keinerlei Dates für mich ab. Das Leben trottet so vor sich hin und der Alltag ist grauer Einheitsbrei. Mir fehlen im Moment Highlights, auf die ich mich freuen kann. Das können Zusammenkünfte mit Familie und Freunden sein, Ferien oder ein Treffen mit jemandem, der einem wichtig ist und den man schon lange nicht mehr gesehen hat. Früher waren es solche Gelegenheiten und Anlässe, an denen ich mich durchs Leben gehangelt habe. Nun gab es in den vergangenen Monaten nur wenige solcher emotionaler Kletterhaken. Jetzt, da sie langsam wieder möglich werden, haben sie an Strahlkraft verloren. Ich weiss nicht, was genau passiert ist, und ich bin mir im Moment nicht sicher, wie ich für mich wieder mehr Highlights und emotionale Leuchttürme schaffen kann. Es braucht wohl den berühmten Tritt in den Arsch. Und den muss man sich manchmal auch selbst verpassen.

Warum erzähle ich euch das? Nun, ich bin Single und schreibe für den Singleblog. Ich teile mit Euch, was mich beschäftigt, woran ich Freude habe, worüber ich lachen kann und womit ich Mühe habe. Habe ich den Anspruch an mich selbst, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben? Nein. Habe ich für alle Probleme und Herausforderungen im Singleleben eine Lösung parat? Nein. Kenne ich das Geheimnis grenzenlosen Glücks und einer funktionierenden Beziehung? Wohl kaum – sonst würde ich wohl nicht beim Singleblog mitschreiben.

Was ich in meinen Jahren mit meinem schweren, schwarzen Mantel gelernt habe, dann, dass es kein Patentrezept gibt, um ihn wieder an den Haken an der Wand zu hängen. Was für den einen funktioniert hat für den anderen keine Bedeutung. Mir hat es immer sehr geholfen, wenn ich über meinen Gemütszustand sprechen konnte. Dementsprechend – und das kann man mir dann allenfalls doch vorwerfen – spreche ich mit einem für mich anonymen Gegenüber: Euch. Ich glaube aber auch, dass es hilft, wenn man merkt, dass man mit seinen Schrammen an Herzen und Seele nicht allein ist, sondern, dass da auch andere sind, denen nicht permanent die Sonne aus dem Hintern scheint.

So – und was ziehe ich jetzt für ein Fazit? Das Schreiben dieses Textes hat einiges an Energie und Selbstreflexion gebraucht. Und – ob ihr mir es glaubt oder nicht – mein Tag fühlt sich grad etwas besser an als vor dem ersten Satz dieses Textes. Es tut gut, sich den Frust von der Seele zu reden oder zu schreiben. Vielen Dank fürs Lesen und lasst Euch nicht von Euren schweren, schwarzen Mänteln unterkriegen. Sprecht darüber, schreibt darüber, teilt euch mit.

Passt auf Euch auf

Euer Singlebock

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