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Die versteckten Wildtiere im Safiental

In Arezen im Safiental lebt eine Herde Damhirsche. Um diese aufzubauen, musste der Besitzer einige Hürden überwinden.

Jasmin
Schnider
02.08.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

Zur «Beni’s Hirschfarm» verirrt sich niemand einfach so. Die Hirschfarm befindet sich rund zwei Kilometer nach Arezen im Safiental und besteht aus dem Haus der Familie Jehli, einem weiteren Haus mit Zimmern und einer Wohnung, die vermietet werden, einem kleinen Restaurant, einem Stall und vielen Tieren. So beheimatet der Hof drei Pfauen, einige Hühner, zwei Lamas und eine Herde Damhirsche.

«70 Stück sind es, und sobald die Jungen geboren werden, sind es dann deutlich mehr», sagt Bernhard Jehli, Besitzer der Farm und Landwirt. Doch auf den ersten Blick sind keine Damhirsche zu sehen. Die grossen Koppeln rund um den Hof scheinen alle leer zu sein. «Hirsche merken immer alles sofort. So ein aufmerksames Tier, wie den Hirschen gibt es kaum.» Erst auf den zweiten Blick lässt sich die Herde Damhirsche am Waldrand am anderen Ende der Weide ausmachen – so weit weg wie möglich vom Menschen.

Immer auf Abstand: Die Damhirsche von Bernhard Jehli halten sich immer so weit wie möglich von Menschen entfernt auf.
Immer auf Abstand: Die Damhirsche von Bernhard Jehli halten sich immer so weit wie möglich von Menschen entfernt auf.
Bild Jasmin Schnider

Der lange Weg bis zur Bewilligung

Angefangen hatte alles in den 90er-Jahren. Nachdem er die Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen hatte und den Hof von den Eltern übernehmen wollte, war klar, dass er den Betrieb, wie er zuvor war, nicht weiterführen konnte. Die Maschinen gingen kaputt und im Stall hätte er keine Kühe mehr halten dürfen. In einer Zeit als die Biolandwirtschaft immer mehr aufkam, suchte Jehli also nach Alternativen und so kam er auf den Damhirsch. Selbst hatte er sich schon Hirschfarmen in Kanada angesehen und das deckte sich mit seinen Vorstellungen. «Ich denke, wenn ein Landwirt im Safiental nicht biologisch arbeitet, macht er einen Fehler.»

Bevor Jehli sich Damhirsche kaufen konnte, hatte er jedoch noch einige Hürden zu meistern. So brauchte er erst eine Bewilligung vom Kanton. «Es war tatsächlich nicht einfach. Der Kanton und vor allem die Jäger wollten das überhaupt nicht.» Sein Antrag wurde von Amt zu Amt weitergeschoben. Schlussendlich ging ein Mann aus Paspels, der ebenfalls Hirsche halten wollte, gegen den Kanton vor Gericht. Natürlich gewann er. «Ich hätte das nie machen können, aber der Kollege aus Paspels hatte mehr Münz im Sack und hatte es riskiert.»So kam Jehli nach drei langen Jahren zu seiner Bewilligung – obwohl er selbst wohl am wenigsten damit gerechnet hatte. «Als ich sie nach drei Jahren bekam, bin ich fast erschrocken. Aber ich musste es dann auch durchziehen.»

Bieten Schatten und Schutz: Auf der Koppel befindet sich neben zahlreichen Bäumen auch ein Stall.
Bieten Schatten und Schutz: Auf der Koppel befindet sich neben zahlreichen Bäumen auch ein Stall.
Bild Jasmin Schnider

Pflegeleichter als eine Kuh

Zu Beginn hatte Jehli 20 Damhirsche, heute sind es 70. Diese hält er auf einer sieben Hektar grossen Weide. Darauf stehen zahlreiche Bäume sowie zwei Ställe, die den Tieren Schutz vor Sonne, Wind und Schnee bieten. Im Winter bekommen sie das Heu im Stall. Dieser ist auf beiden Seiten offen, da Hirsche gemäss dem Landwirt nie in einer Sackgasse eingesperrt sein dürfen. Sie seien aber auch wenn es schneit gerne draussen. 

Im Allgemeinen seien Damhirsche nicht so arbeitsintensiv wie Kühe. «Ich muss nicht morgens um sechs die Tiere melken», betont der Landwirt. Stattdessen zählen zu seinen Aufgaben der Unterhalt von Weiden und Zäunen. Weiter muss er dafür sorgen, dass die Damhirsche genügen Futter, Mineralsalze und Wasser haben und einige Male im Jahre die Koppel wechseln. «Schon sind die Tiere zufrieden.» Zudem könne er auch gut einmal mit seiner Frau oder den beiden Töchtern in die Ferien fahren oder anderen Arbeiten wie dem Holzfällen und seiner Beiz nachgehen.

Blick nach drinnen: In der eigenen Beiz servieren die Jehlis ihren Gästen das Fleisch der Damhirsche direkt auf dem Teller.
Blick nach drinnen: In der eigenen Beiz servieren die Jehlis ihren Gästen das Fleisch der Damhirsche direkt auf dem Teller.
Bild Jasmin Schnider
Nicht immer geöffnet: Das Beizli empfängt jeweils Donnerstag- und Freitagabend oder am Samstag auf Anfrage Gäste.
Nicht immer geöffnet: Das Beizli empfängt jeweils Donnerstag- und Freitagabend oder am Samstag auf Anfrage Gäste.
Bild Jasmin Schnider

Von Plätzli bis Hibab

Das Beizli hat jeweils Donnerstag- und Freitagabends oder für Gruppen am Samstag auf Anfrage geöffnet. Sie dient als weiteres Standbein für die Familie Jehli. «Mit unserem Beizli können wir den Hirsch direkt vor Ort auf dem Teller vermarkten und das funktioniert sehr gut.» 

Ohne das Restaurant hatte Jehli früher Mühe, das Fleisch unter die Leute zu bringen. Obwohl viel Hirschfleisch in der Schweiz aus dem Ausland komme und es somit als Nischenprodukt gilt, war die Nachfrage unter den Einheimischen nicht gross. «In Zürich hätte man mir damals 17 Franken pro Kilo gezahlt. Hätte ich das in Graubünden verlangt, hätten sie mich als Spinner bezeichnet.» Regionalität und Nachhaltigkeit waren ihm jedoch schon damals zwei grosse Anliegen. «Es war nicht die Idee, das Fleisch nach Zürich zu exportieren. Deshalb musste es direkt auf den Teller.»

Und auf dem Teller landet schlussendlich alles vom Tier, wie Jehli betont. «Vom Hirsch kann man bis auf Fell und Geweih alles essen.» Die meisten Gäste wollten anfangs jedoch hauptsächlich Plätzli, Filet oder Pfeffer essen, Geschnetzeltes war nicht gefragt. Daraufhin habe Jehli den Hibab erfunden, das sei eine Art Kebab aus Hirschgeschnetzeltem und seither entpuppt sich auch das Geschnetzelte zum heimlichen Kassenschlager. 

Im Video seht ihr noch mehr von der Hirschfarm:

Video Jürg Abdias Huber

Jasmin Schnider produziert als Redaktorin Beiträge und Interviews für Radio Südostschweiz. Sie kommt aus Obersaxen und ist seit August 2020 Teil der Medienfamilie Südostschweiz.

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